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Schäferin (Bouguereau)

 

 

Die Bildung von Symbiosen

ist das Fortschrittsprinzip der Evolution!


Das Überleben der am besten Angepassten

Die Darwinsche Theorie sagt, dass sich die Arten durch zufällige Erbgutveränderungen und durch die erfolgreiche Fortpflanzung der am besten an die Umwelt angepassten Individuen entwickelt haben. Diese vor 150 Jahren formulierte Erkenntnis war ein Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte und ist dennoch vielfach missverstanden worden. Zu kritisieren ist vor allem der ideologische Missbrauch von Darwins Lehre, um Unterdrückung und Ausbeutung zu rechtfertigen und der heutigen Ellenbogengesellschaft den Anschein des Natürlichen zu verleihen.

Eine einseitige Betrachtungsweise, die nur das Wirken des Zufalls und den gnadenlosen Überlebenskampf als Motor der Evolution gelten läßt, kann aber die Artenvielfalt der belebten Natur ebensowenig erklären wie die Anpassung von Lebensgemeinschaften an plötzlich veränderte Umweltbedingungen. Selbst wenn man die Sexualität, d.h. die ebenfalls rein zufällige Neuzusammensetzung von Erbanlagen bei der Zeugung von Nachkommen, als Beschleunigungsfaktor der Evolution in Betracht zieht, bleibt das hochkomplexe Netzwerk der belebten Natur ein Rätsel, das alleine durch Mutation und Selektion nicht zu erklären ist. Die nahezu unendlichen Entwicklungsmöglichkeiten des Lebens erschließen sich vor allem dadurch, dass Organismen mit ganz unterschiedlichen Veranlagungen sich aneinander anpassen und gemeinsame Überlebensstrategien entwickeln.

Das Bild der Lebens auf der Erde wird geprägt von einer zunehmenden Artenvielfalt. Wenn wir mit offenen Augen um uns blicken, finden wir uns inmitten eines hochentwickelten Netzwerks wunderbarer Organismen, die miteinander in ganz engen Beziehungen stehen:

in den Beziehungen vielfältiger Symbiosen, die sich stetig weiterentwickeln.

 

Die Symbiose als Grundprinzip des Fortschritts

Es sind nicht die Stärksten, sondern die am besten an die Umwelt Angepassten, die sich im Zuge des Evolutionsgeschehens erfolgreich vermehren und die Entwicklung ihrer Art weiter voranbringen. Jede Lebensform hat sich besondere Talente angeeignet, um aus den herrschenden Umweltbedingungen das Beste zu machen. Und die Tüchtigsten profitieren von einer besonderen Stärke:

von der hochentwickelten Anpassungsfähigkeit an ihre Symbiosepartner.

Nichts kann im Daseinskampf größere und raschere Vorteile ermöglichen, als der Aufbau guter Beziehungen zu kompetenten Partnern. Durch nutzbringende Zusammenführung unterschiedlicher Talente kommen schon seit den primitivsten Anfängen des Lebens die wesentlichen Fortschritte zustande, nicht im Schneckentempo von zufälliger Mutation und Selektion.

Plötzliche Änderungen der Lebensbedingungen auf der Erde hätten das Leben schon hundertfach ausgelöscht, wenn sich Lebensgemeinschaften nur langsam und irrtumsreich nach dem Zufallsprinzip anpassen könnten. Doch wenn Partner mit unterschiedlichen Erbanlagen in eine Beziehung zum beiderseitigen Nutzen treten, sind viel schnellere Fortschritte möglich. Wenn etwa eine Amöbe mit ihrem im Zellkern bestens organisierten Erbmaterial ein kleines photosythetisches Bakterium in sich aufnimmt -- es in seinem Körper einbettet, statt es aufzufressen, steht der Amöbe das Sonnenlicht als unerschöpfliche Energiequelle zur Verfügung. Umgekehrt kann sie das Bakterium bei der Organisation seines primitiven Erbguts, bei seiner Fortpflanzung und durch Aufbau größerer, zum Licht strebender Zellstrukturen unterstützen. Was dieses Beispiel schildert, hat sich vor einigen Milliarden Jahren tatsächlich ereignet und war der Beginn der beispiellos erfolgreichen Entwicklung der grünen Pflanzen.

Ganz wesentlich ist außerdem, daß die Natur auch Fähigkeiten bewahrt, die zeitweise nur wenig Nutzen bringen, aber bei einem plötzlichen Wechsel der Umweltbedingungen wieder wichtig werden können. Was aus kurzfristig profitorientierter Betrachtungsweise sinnlos erscheint, erhält zumindest eine Überlebenschance in speziellen ökologischen Nischen und wird in der großen Talentbörse des Lebens weiterhin notiert. Auch der Grottenolm, der Gletscherfloh, der Quastenflosser, die Archaebakterien in glimmenden Kohleabraumhalden und unzählige andere lebende Fossilien warten auf den Augenblick, in dem sie sich als attraktive Symbiosepartner anbieten können. Zu gegebener Zeit können die vormals unbeachteten Fähigkeiten unverhofft zum Motor neuer Fortschritte werden.

 

Das Wesen der Symbiose

Die Symbiose ist das nutzbringende Zusammenwirken von Trägern unterschiedlicher Fähigkeiten. Im biologischen Sinne ergänzt sich die unterschiedliche Erbinformation der Symbiosepartner, auf die menschliche Gesellschaft übertragen geht es um unterschiedliche Talente, Kenntnisse und Erfahrungen.

Die belebte Natur mag als ein Durcheinander von einfachster Erbinformationen ihren Anfang genommen haben, und Symbiosen spielten vermutlich noch keine Rolle. In der "Ursuppe", die am Beginn der biologischen Evolution wohl noch ein recht dünnes Süppchen war, muß man annehmen, daß jeder satt werden wollte und einer den anderen auffraß. Und wer am schnellsten fressen konnte, hat überlebt und sich weitervermehrt. Die Ausgangssituation im Zusammenspiel zweier Lebensformen steht in der Regel immer noch auf dieser primitiven Stufe des Parasitismus. Ein Parasit, der nur frisst und dadurch seinen Wirt tötet bzw. ausrottet, ist jedoch selbst dem Hungertod geweiht. Um diesem Schicksal zu entgehen, ist eine schonendere Vorgehensweise notwendig: gut angepasste Parasiten lassen dem Wirt zumindest die Möglichkeit der Regeneration. Die Entwicklung zur Symbiose besteht dann darin, daß der Parasit durch Verbesserung der Lebensbedingungen des Wirtes seinen eigenen Profit steigert. Und der Erfolg steigt mit der Ausgewogenheit des Gleichgewichts von Geben und Nehmen zwischen den Partnern.

Unter ungünstigen Umständen kann eine Symbiose auch aus dem Ruder laufen und wieder in gegenseitiges Auffressen abgleiten. Die beteiligten Organismen werden jedoch rasch zu den Versagern der Evolution und verschwinden von der Bildfläche. In hochentwickelten Symbiosen steht die gegenseitige Anpassung auf einer sicheren Basis. Bei den höheren Zellen von Tieren und Pflanzen ist z.B. ein wichtiger Teil der Erbinformation der endosymbiontischen Bakterien in den Zellkern übergegangen. Das hatte zunächst den Vorteil, dass die Gene besser gesteuert werden konnten, machte aber auch die Symbiosebeziehung unumkehrbar.

Es trägt erheblich zum Erfolg einer Lebensform bei, wenn die Entwicklung vom Parasiten zum Symbiosepartner rasch durchlaufen werden kann. Die Menschheit hat zum Beispiel sehr schnell gelernt, daß man die Kühe füttern muß, wenn man sie ergiebig melken will. Es gibt Tausende vergleichbarer Beispiele bei Haustieren, Kulturpflanzen und sogar Mikroorganismen. Wir Menschen haben es weniger aus dem Instinkt heraus, als vielmehr in einer unvergleichlichen kulturellen Leistung geschafft, unseren Platz im Mittelpunkt einen einzigartigen Symbiosenetzwerkes zu gestalten. Es gibt kein Lebewesen auf der Erde, dass in so vielen Beziehungen zu interessanten Partnern lebt.

Der Kult des schnellen Geldes in der heutigen Zeit darf uns auf keinen Fall blind für den Wert unserer symbiotischen Kultur machen!

Jede neue Technik, mit der die Ausbeutung natürlicher oder menschlicher Ressourcen perfektioniert wird, ist ein
Rückschritt in Richtung Parasitismus.

Ausbeutung kann kein nachhaltiger Erfolg werden, nur der
Fortschritt in Richtung Symbiose
erhält unsere Lebensbedingungen und damit unsere menschliche Kultur.

Auf parasitisches Niveau zurückzufallen, kommt einem Abtreten von der Bühne der Evolution gleich. Das ist aber niemandem von uns in die Wiege gelegt, also bleiben wir doch einfach bei der bewährten Fortschrittsstrategie der Symbiosebildung!

 

Natürliche Regeln für die menschliche Gesellschaft

Auch innerhalb der menschlichen Gesellschaft gibt es Individuen und Gruppen (Kulturen, soziale Klassen, Branchen, Berufsgruppen), die alle nur durch Einpassung in das gesamte Sozialgefüge überleben können. Wir stehen auf der hohen Entwicklungsstufe fein abgestimmter Symbiosebeziehungen innerhalb der Menschheit. Agrarländer und Industrienationen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Fachkräfte und Manager, Zulieferer, Produzenten, Händler und Kunden, Künstler und Publikum müssen sinnvoll ineinandergreifend handeln und leben.

Die Versuchung, innerhalb komplexer, nicht komplett durchschauter Sozialgefüge den Partner auszubeuten, ist groß. Das Ergebnis ist ernüchternd -- ein ruinierter Zulieferer droht das ganze Geschäft lahmzulegen. Nach dem Vorbild der Natur sollte man nicht sofort abschaffen, was momentan nur wenig Profit bringt. Eine geringe Nachfrage nach den Produkten mancher Wirtschaftszweige oder nach den Kenntnissen mancher Fachrichtungen ist meist nur vorübergehend -- also muss man deren Kompetenzen nicht nur in kleinen Tätigkeitsfeldern überleben lassen, sondern auch durch angemessene Herausforderungen fördern.

Die Gnade, die die Evolution z.B. mit dem Grottenolm oder dem Quastenflosser übt (die nicht aussterben müssen), sollte die Menschheit nach dem Vorbild der Natur auch mit vorübergehend wenig profitablen Wirtschaftszweigen und Qualifikationen üben. Geht man hier beim Personalabbau zu weit, vernichtet man entscheidende Potentiale für die Zukunftssicherung der menschlichen Gesellschaft. Jeder Mensch, dem so der Lebenszweck genommen wird, geht als Flexibilitätsreserve zur Bewältigung künftiger Umbruchsituationen verloren -- ebenso jede ruinierte Branche und jede aufgelöste Forschungsstätte.

 

Die Zukunft der Menschheit

Das menschliche Leben ist untrennbar in die großen Stoffkreisläufe der belebten Natur eingebettet, denn unsere Nahrung wird ausschließlich von anderen Lebewesen hervorgebracht. Teile der menschlichen Art, die diese Symbiose aufkündigen und unter Rückfall in primitive Ausbeutung natürliche Ressourcen vernichten, arbeiten ihrem eigenen Untergang entgegen. Die bedrohte Art sind wir -- die Natur würde sich ohne weiteres von den Folgen dieser gescheiterten Episode erholen. Aber so weit muss es gar nicht kommen.

Auch die Menschheit kann sich nur nach dem Gesetz vom Erfolg der am besten an die Umwelt Angepassten weiterentwickeln. Dabei verfügen wir jedoch über neuartige Möglichkeiten:

Menschen geben nicht alleine Erbinformation an die Nachwelt weiter, sondern auch Wissen, Gedankengut, Werte und in der Schule des Lebens erworbene Fähigkeiten.

Wir überleben also dank unserer Kultur. Im Gegensatz zu den Tieren kann der Mensch seinen Informationsschatz durch bewußtes Lernen erweitern. Jeder kann sich so entwickeln, dass er zu den am besten Angepassten im Lebensnetzwerk gehört. So kann er mit seinen Nachkommen, Mitarbeitern und Schülern erfolgreich an der Evolution von Natur und Kultur teilnehmen.

Entscheidend für unserer Erfolge ist immer unsere gute Position im natürlichen Beziehungsnetzwerk!