In Harmonie mit der Natur

Nie waren die Menschen so gut informiert wie heute im Internetzeitalter. Also machen wir uns ganz schnell schlau und geben www.fkk.de ein – und landen auf einer Seite mit Erotikbildern, Videos und Sexkontakten für zahlende Kundern. "Sei dabei, wenn geile FKK-Anhänger ihrer Lust freien Lauf lassen", heißt es da. In diesem Sinne nennen sich heute auch etliche Bordelle ganz frech "FKK-Club". Und bei www.fkk.info kann man sich für solche Vergnügungen gleich noch mit Viagra eindecken. Es ist traurig, aber wahr: die Porno- und Sexindustrie hat aus dem vormals guten Namen "FreiKörperKultur" einfach eine ihrer vielen Kategorien unappetitlichen Fleischbeschaus gemacht.

Es ist klar, dass vor allem junge Menschen, die sich vornehmlich über das Internet informieren, einen sehr zwiespältigen Eindruck von FKK gewinnen. So kann man das Thema schnell abhaken und in die Schmuddelecke schieben. Gottlob lässt der Artikel in Wikipedia eine bessere Realität erahnen, wenn man darin liest: "Anliegen ist die Freude am Erlebnis der Natur oder auch am Nacktsein selbst, ohne direkten Bezug zur Sexualität." Doch dann lässt dieser Artikel im Zitat der richtungweisenden Definition der Internationalen Naturisten-Föderation von 1974 ausgerechnet den wichtigen ersten Satz weg: "Naturimus ist eine Lebensart in Harmonie mit der Natur." Doch genau das kann gar nicht genug betont werden, um dem von der Pornobranche gezeigten Zerrbild die echte Freikörperkultur gegenüberzustellen und der Öffentlichkeit die wirklichen Ziele zu vermitteln.
 

Was versteht unsere Zeit von Harmonie?

Es gibt Webseiten, auf denen sich Witzbolde damit vergnügen, klassische Gemälde zu "modernisieren". Da sieht man dann z.B. Renoirs "Große Badende" mit bunten Bikinis. Und man reibt sich die Augen, wie sehr die heute gebräuchlichen Bademoden vor der Kulisse der Natur als Fremdkörper erscheinen. Wenn aber die Menschen neben dem Grün der Ufervegetation und inmitten der Lichtreflexe auf dem Wasser ohne störende bunte Stofffetzen baden gehen, wird dem Betrachter klar, wie sehr wir Menschen doch für die Harmonie mit der Natur geschaffen sind.

Doch das gilt heutzutage nicht viel. Unsere Gesellschaft orientiert sich an ganz anderen Werten. Allen voran steht das Gebot, dass eingesetztes Kapital sich gut verzinsen muss. Die Natur ist einzig als Rohstoffquelle interessant, die zugunsten des Aktionärsnutzens ausgebeutet wird. Für unseren Wohlstand entnehmen wir der Erde mehr Rohstoffe und Energieträger, als sie auf Dauer bereitstellen kann und entlassen mehr Müll und Abgase, als sie abbauen kann. Das büßen wir nun mit Ölpest, Unwettern, Waldbränden und Überschwemmungen. Unsere Beziehung zur Natur steckt in einer tiefen Krise und ist alles andere als harmonisch.

Diese Beziehungskrise erklärt auch, warum viele Menschen ein verkrüppeltes Körperbild haben, das völlig von der Natur losgelöst ist und nur noch Grundfunktionen von Nahrungsaufnahmen und Verdauung sowie einer mechanisch ablaufenden Sexualität zulässt. Wenn nur noch die schnelle Befriedigung, der "schnelle Kick", ohne Rücksicht auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Bezüge gesucht wird, können wir zusehen, wie Firmen pleite gehen, Freundschaften, Beziehungen und Familien zerbrechen, fruchtbares Land verödet. Ohne Vernetzung mit dem vielfältigen Symbioseverbund der Natur wie auch innerhalb unserer arbeitsteiligen Gesellschaft fehlt es am Maß und Ziel, am Sinn unserer Leidenschaften. Und nebenbei wird auch alles Gute, das sich mit der FKK-Idee verbindet, im Internet von seelenlosem Sexismus überwuchert.

Die Zukunftsfähigkeit der perspektivlos im Hier und Jetzt ausgelebten Gier und Triebabfuhr muss immer mehr bezweifelt werden. Also suchen wir uns lieber in der Harmonie mit der Natur eine tragfähige Perspektive für die Weiterentwicklung unserer Kultur! Immer mehr wird erkannt, dass unser Wohlstand der Natur nicht gewaltsam abgerungen werden darf, sondern nur im Einklang mit ihren Möglichkeiten und ihrem Wirken erzielt werden kann. Unter dem Druck grüner Wahlerfolge erkennen auch Politiker aus anderen Lagern, dass der künftige Motor unserer Wirtschaft vor allem Umwelttechnik und erneuerbare Energie sein werden. Und der Familienausflug am Wochenende muss nicht immer nur in einen teuren Freizeitpark mit halsbrecherischen Achterbahnen gehen, zumal ein kostenloser Besuch in einem Barfußpark oder ein kostengünstiger FKK-Badetag sogar noch mehr Spaß macht.

Wir wünschen uns doch ganz einfach, dass das Leben für uns und unsere Kinder weitergeht, nicht mehr und nicht weniger! Und als Naturisten haben wir dafür schon eine sehr gute Ausgangslage, denn wir fügen uns beim textilfreien Bad in die Schönheit der Natur ein, genauso wie es die Maler des Impressionismus gesehen und auf die Leinwand gebannt haben. Und diese sichtbare Harmonie prägt auch unsere Aktivitäten. Es beginnt mit der Gemeinschaftsaufgabe, die FKK-Gelände im Einklang mit der Natur zu gestalten und zu erhalten, man betätigt sich sportlich an Luft und Sonne, man genießt den Aufenthalt in schöner Landschaft, die Frühgymnastik in der Morgensonne oder die Mittagsruhe im Schatten alter Bäume.

Viele Naturisten haben ein Plätzchen im Verein oder einer Ferienanlage, wo sie einen kleinen Garten bestellen, eine kleine Scholle Erde bewirtschaften, die ein Teil des wunderbaren Symbiosenetzwerks des fruchtbaren Bodens ist. Und dieser ist eigentlich das große Wunder, dem wir Menschen unsere Existenz verdanken! Es gibt FKK-Vereine, deren Gelände im Landschaftsschutzgebiet liegen und die eigenverantwortlich Naturschutzaufgaben übernehmen. Und das beinhaltet auch die Chance, junge Menschen an die Verantwortung für die Umwelt hinzuführen.

Als FKK-Aktive wollen wir auf keinen Fall am Inhalt pornographischer Internetseiten gemessen werden, welche wir weder verhindern noch beeinflussen können. Also müssen wir sehr deutlich ein anderes Profil zeigen! Wir bekommen ganz schnell Oberwasser, wenn wir die Natur als den natürlichen Symbiosepartner von uns Naturisten verstehen und im Einklang mit ihr tätig sind. Dabei fühlen wir uns wohl, und der Öffentlichkeit können wir dieses Bild glaubwürdig vermitteln, weil es uns selbst ernst damit ist. Wenn die "Lebensart in Harmonie mit der Natur" eindeutig und für jedermann sichtbar im Vordergrund steht, wird auch der Pornosumpf im Internet das gute Markenzeichen "FKK" nicht mehr beschädigen können!